Optimierungen der Asset Allokation
Grundsätzlich könnten wir unsere Asset Allokation einfach dadurch optimieren, dass wir verschiedene Verteilungen im eigenen Portfolio durchprobieren und uns dann jeweils die daraus berechneten Entnahmeraten im entsprechenden Reiter anschauen. Der dritte Reiter “Optimierung der Asset Allokation” vereinfacht diesen Prozess jedoch erheblich. Wenn wir in diesen Reiter wechseln sehen wir zunächst sechs “Unterreiter”, die uns unterschiedlich komplexe Variationen der eingestellten Asset Allokation erlauben.
1. Optimierung der Entnahmephase bei sofortigem Ruhestand
Wir starten mit unserem klassischem Trinity Startbeispiel eines sofortigen Ruhestands:
Im diesem Start-Beispiel des Simulators ist der FI-Zeitpunkt identisch zum Simulationsstart, d.h. eine Ansparphase existiert dort nicht. Gehen wir also direkt in den (voreingestellten) zweiten Unterreiter “Entnahmephase”. Wir wollen dabei eine zeitlich konstante Asset Allokation in der Entnahmephase beibehalten (die Alternative eines sich zeitlich ändernden Glidepaths wird weiter unten beschrieben):
Wir überlegen jetzt, inwieweit eine Beimischung von Anleihen evtl. unsere sichere Entnahmerate weiter erhöhen kann. Dazu möchten wir ein 100% US Anleihen Portfolio hin zu einem 100% US Aktien Portfolio variieren und uns auch alle möglichen Zwischenwerte dazu ansehen um das Optimum zu finden. Wenn beide Assets bereits in der eigenen Asset Allokation vorhanden sind, brauchen wir nichts weiter zu tun. Falls nicht, müssen wir diese dort zunächst aus dem Asset Katalog auswählen:
Hinweis: Es dürfen dort natürlich auch mehr als zwei Assets für die folgenden Analysen ausgewählt werden. Die Auswahltabellen sowie die X-Achsenbeschriftungen werden dann lediglich etwas länger und vielleicht etwas unübersichtlicher. Wer aber mehrere Test-Assets optimieren möchte, wird normalerweise genau das tun. Allerdings wird die Performance des Simulators besser, je kleiner diese Auswahl bleibt.
Wir können jetzt den Asset Katalog wieder schließen und zurück zur Optimierung der Asset Allokation springen. In der Tabelle dort befinden sich immer alle aus dem Katalog ausgewählten Assets und wir können nun die beiden gewünschten “Rand-Portfolios” definieren, die mit Portfolio A und Portfolio B bezeichnet werden:
Jetzt werden im Simulator 21 Portfolios ermittelt, die linear zwischen diesen beiden extremen Portfolios A und B interpoliert werden und für jedes dieser Portfolios wird die mögliche Entnahmerate für alle Historien berechnet. Wichtig ist, dass alle weiteren Einstellungen, Renten und Cashflows im Simulator bei der Berechnung dieser Entnahmeraten hier berücksichtigt werden. Ausnahme ist lediglich die “eigene” Asset-Allokation, da wir ja hier ganz bewusst Variationen dieser Asset-Allokation untersuchen wollen. Das Ergebnis ist die folgende Übersicht:
Der linke Balken entspricht dem Portfolio A und der rechte Balken Portfolio B. Unten ist die Verteilung auf die vorhandenen Assets prozentual dargestellt sodass man die Portfolio Verteilung auch für alle Zwischenwerte ablesen kann.
Schauen wir uns das Ergebnis jetzt inhaltlich etwas genauer an. Man erkennt zunächst, dass sich die Medianwerte mit steigendem Aktienanteil stetig nach oben entwickeln. Dies liegt natürlich daran, dass die erwarteten Renditen historisch für Aktien immer höher waren als für Anleihen. Auch die theoretisch maximal möglichen Entnahmeraten im historischen Bestcase (markiert durch die obere Grenze des jeweiligen Balkens) steigt stetig mit dem Aktienanteil an. Interessant für uns ist aber vor allem die untere Grenze des Balkens, die die sichere Entnahmerate im historischen Worst-Case darstellt. Hier erkennt man eine etwas andere Systematik: Die sichere Entnahmerate steigt zunächst ebenfalls mit steigendem Aktienanteil, sinkt ab einem Anteil von 75% aber wieder ab. Eine weitere Steigerung des Aktienanteils steigert zwar den Median- und Maximalwert, der Minimalwert, also die sichere Entnahmerate, sinkt aber wieder ab. Diese Grafik ist daher nicht umsonst im Standard voreingestellt, weil sie ein zentrales Ergebnis darstellt. Eine verwandte Darstellung findet man z.B. auch in Figure 3 im hier verlinkten Artikel von Wade Pfau. Der Autor stellt ebenfalls die sichere Entnahmerate (dort als “SAFEMAX” bezeichnet) in Abhängigkeit vom Aktienanteil dar und man erkennt eine ähnliche Systematik. Zwei Unterschiede fallen allerdings sofort auf:
- Die prozentualen minimalen Entnahmeraten sind generell leicht höher als unsere. Der Grund dafür ist zum Einen eine andere Datenquelle (Wade Pfau nutzt dort die sogenannten US SBBI Daten anstelle der Aktien- und Anleihenkurse von Robert Shiller, die wir hier verwenden). Außerdem berücksichtigen wir im Standard immer eine Total Expense Ratio von 0,22%, die Handelskosten und Steuereffekte näherungsweise berücksichtigt, sodass unsere Entnahmeraten etwas realitätsnäher ausfallen sollten.
- Die sicheren Entnahmeraten oberhalb von 80% fallen dort nicht so stark ab wie bei uns. Dies liegt daran, dass Wade Pfau mit Jahresrenditen und analog mit einem jährlichen Rebalancing rechnet. In seiner Rechnung (die ich exakt nachvollziehen konnte) führt er ein jährliches Rebalancing im Januar durch, das historisch zu etwas günstigeren Ergebnissen führt als unser monatliches Rebalancing. Allerdings: Hätte er das Rebelancing zu anderen Monaten durchgeführt, wäre der Abfall bei hohen Aktienquoten sogar noch drastischer ausgefallen als bei uns. Seine Darstellung ist daher aus meiner Sicht etwas beschönigend, weil je nach Kursentwicklung in der Zukunft ein jährliches Rebalancing im Januar zukünftig genau so gut zu deutlich schlechteren Ergebnissen führen kann.
In absoluten Zahlen ist das Ergebnis aber durchaus beeindruckend: An Stelle von 1.200€, die bei 100% Aktien als Entnahme möglich wären, steigt die Entnahmerate bei 25% Anleihen auf 1.473€. Als Ergebnis dieser einfachen Optimierung würde man bei einem sofortigen Beginn des Ruhestands daher vermutlich für das eigene Portfolio eine Beimischung von 25% Anleihen in Erwägung ziehen und könnte dies dann wieder manuell im Reiter “Einstellungen Asset Allokation, Kurs- und Inflationsdaten” eintragen.
2. Optimierung der Ansparphase
Im zweiten Beispiel möchten wir eine Simulation durchführen, in der unser Ruhestand noch in der Zukunft liegt, wir uns also noch in der Ansparphase befinden. Der Simulator erlaubt dann eine unterschiedliche Festlegung der Asset Allokation in Anspar- und Entnahmephase:
Eine Faustregel besagt ja, dass früh in der Ansparphase tunlichst ein hoher Prozentsatz an Aktien im Portfolio sein sollte, während am Beginn des Ruhestands evtl. eine Beimischung sicherer Anteile wie z.B. Anleihen Sinn machen kann (siehe unser erstes Beispiel oben).
Schauen wir uns dazu ein konkretes Beispiel an. Wir starten mit den folgenden Simulationsparametern und möchten einen Ruhestand in 20 Jahren simulieren, der dann einen Zeitraum von weiteren 30 Jahren abdecken soll:
Prüfen wir also direkt einmal, welche Asset Allokation in der Ansparphase wirklich optimal ist. Wir gehen dazu in den Unterreiter “Ansparphase” und variieren unsere Asset Allokation wiederum zwischen 100% US Anleihen und 100% US Aktien. Die Asset Allokation der Entnahmephase belassen wir nach den Erkenntnissen oben zunächst einmal bei einem Verhältnis 25% Anleihen zu 75% Aktien:
Das Ergebnis unserer Variation der Asset Allokation sieht damit wie folgt aus:
Minimum, Median und Maximum der Entnahmeraten sind jeweils bei einem Aktienanteil von 100% am höchsten. Die Faustregel, während der Ansparphase 100% in Aktien investiert zu bleiben hat offenbar Hand und Fuss.
3. Optimierung der Entnahmephase bei einem zukünftigen Ruhestand
Wir haben im 2. Abschnitt die Asset Allokation der Entnahmephase zunächst bei dem Mix belassen, der sich bei einem sofortigen Ruhestand als Optimum erwiesen hat. Schauen wir uns zur Sicherheit aber einmal an, ob dies auch in dieser Konstellation optimal ist. Dazu gehen wir jetzt wieder in den 2 Unterreiter “Entnahmephase” und führen die folgende Variation durch:
Wir belassen also die Ansparphase bei 100% Aktien und variieren diesmal die Entnahmephase zwischen 100% Anleihen und 100% Aktien. Das Ergebnis sieht wie folgt aus:
Im Unterschied zum obigen Beispiel eines sofortigen Ruhestands scheint es jetzt tatsächlich keinen Vorteil mehr zu geben wenn man einen Anteil von Anleihen hinzugibt. Minimum, Median und Maximum sind am höchsten bei einem Aktienanteil von 100% auch in der Entnahmephase.
Vor dem Hintergrund des ersten Beispiels oben scheint dieses Ergebnis zunächst etwas verblüffend zu sein, sorgt doch eine Beimischung von Anleihen für eine Reduktion der Schwankung des Portfolios. Ich erkläre mir dieses Ergebnis wie folgt: In unserem Beispiel decken wir eine 20 jährige Ansparphase und eine 30 jährige Entnahmephase ab. Über so lange Zeiträume sollten sowohl in der Anspar- als auch in der Entnahmephase Phasen enthalten sein, in denen Aktien sowie Anleihen sehr gut bzw. sehr schlecht performed haben. Ich vermute daher, dass aufgrund der bekannten Regression der Märkte hin zu ihrem Mittelwert, sich gute Börsenzeiten in der Ansparphase mit schlechten Börsenzeiten in der (frühen) Entnahmephase ausgleichen und umgekehrt. D.h. diejenigen, die in der späten Ansparphase Glück durch eine Hausse an der Börse hatten und mit einem entsprechend starken Depot in den Ruhestand gestartet ist, könnten historisch dann in der Entnahmephase häufiger mit einer schlechten Börsenperformance konfrontiert worden sein. Umgekehrt haben offenbar diejenigen, die einen Crash vor dem Ruhestand erleben mussten und somit mit einem kleineren Depot gestartet sind, dann in der frühen Entnahmephase tendentiell wieder bessere Börsenzeiten erlebt. Dieser ausgleichende Effekt ist dank der höheren Rendite des Aktienanteils offenbar dafür verantwortlich, dass eine Beimischung von Anleihen hier weniger effizient oder sogar eher kontraproduktiv ist.
4. Optimierung mit Glidepath
Die komplexeste Optimierungsoption definiert einen sogenannten Glidepath in der kritischen Phase kurz nach Beginn des Ruhestands am Anfang der Entnahmephase. Wie wir wissen, wirken sich insbesondere in dieser Phase Kursrückgänge gravierend aus, sodass die Vermutung naheliegt, dass man genau in dieser Phase mit einer abweichenden Asset Allokation evtl. höhere Entnahmeraten realisieren kann. Die Vorgehensweise wird in der folgenden Grafik deutlich:
Analog wie oben definieren wir zunächst eine Asset Allokation während der Ansparphase (grün). Zum FI-Zeitpunkt wechseln wir dann auf die blau skizzierte Asset Allokation. Diese wird jetzt über die Dauer des Glidepath hin zu der in rot eingezeichneten finalen Asset Allokation entwickelt, d.h. sie ändert sich während dieser Phase monatlich. Danach wird bis zum Ende des Simulationsszeitraums die rot gezeichnete finale Asset Allokation verwendet. Typischerweise nutzt man für das “blaue Portfolio” dann einen gewissen Teil Anleihen oder sogar Cash (In diesem Fall läuft diese Konstruktion auch unter dem Begriff “Cash-Glidepath”) um eben weniger anfällig für Börsencrashes in dieser Phase zu sein. Die Idee ist, dass die geringere erwartete Rendite in diesem überschaubaren Zeitraum weniger ins Gewicht fällt als die Absicherung gegenüber starken Kurseinbrüchen an der Börse.
Schauen wir uns jetzt an einem Beispiel an, wie gut das funktioniert. Dazu nehmen wir wieder unser Startbeispiel aus Abschnitt 1 eines sofortigen Ruhestands:
Im Unterschied zu Abschnitt 1 gehen wir aber jetzt in den Unterreiter “Mit Glidepath” und definieren dort einen Glidepath für einen Zeitraum von 24 Monaten und die folgende Asset Allokation:
Den Startpunkt des Glidepath variieren wir wie gewohnt zwischen Portfolio A (Hier ein reines US Anleihenportfolio) und Portfolio B (Ein 100% US Aktienportfolio). Da wir die finale Asset-Allokation nach den Erfahrungen aus Abschnitt 2 ebenfalls mit 100% US Aktien ausgestalten möchten, entspricht der Datenpunkt von Portfolio B hier tatsächlich einem durchgängigen Verlauf mit 100% US Aktien, d.h. komplett ohne einen echten Glidepath. Wir können mit dieser Analyse also verschieden starke Glidepathes simulieren. Da wir ja hier wieder sofort mit dem Ruhestand starten, wird keine Spalte für die Ansparphase angeboten, da diese ja hier wieder nicht existiert. Schauen wir uns das Ergebnis an:
Der rechte Datenpunkt entspricht, wie oben beschrieben, einem durchgängigen 100% Aktienportfolio ganz ohne Glidepath und erlaubt in dieser Konstellation wie üblich eine Entnahme von 1.200€ pro Monat. Wenn wir uns die anderen Datenpunkte anschauen sehen wir aber, dass der Glidepath hier durchaus Vorteile bringt: Ein Portfolio mit einem 45% Anleihenanteil zum FI-Zeitpunkt würde uns z.B. eine Entnahme von sogar 1.516€ pro Monat erlauben. Dies ist sogar ein höherer Wert als die 1.472€, die eine durchgängige Asset Allokation von 25% Anleihen ermöglicht. Darüberhinaus ist auch der Median der Entnahmerate deutlich höher als bei der festen Asset Allokation mit konstant 25% Anleihen. Dies liegt einfach daran, dass der Zeitraum bei denen eine Assetklasse mit niedrigerer erwarteter Rendite im Portfolio ist, kürzer ist. Ein Glidepath scheint damit grundsätzlich einen guten Kompromiss zwischen Risikominimierung und Renditemaximierung zu liefern.
5. Optimierung der Glidepathlänge
Wir haben oben einfach eine Länge des Glidepath von 24 Monaten angenommen ohne dies irgendwie zu hinterfragen. Ab der Version 0.4 des Simulators kann die Länge des Glidepath aber im Unterreiter “Optimierung Glidepath-Länge” ebenfalls untersucht und optimiert werden. Wir gehen daher in diesen Unterreiter und nehmen nach den Erkenntnissen aus Abschnitt 4 die folgende Asset-Allokation für den Glidepath vor:
Die Form des Glidepath ist hier also fest definiert: Zum FI-Zeitpunkt gehen wir auf ein Portfolio mit 45% Anleihen und 55% Aktien, welches sich über die Länge des Glidepath dann hin zu einem Portfolio mit 0% Anleihen und 100% Aktien entwickelt. Die Länge des Glidepath variieren wir in der folgenden Grafik zwischen 0 und 240 Monaten. Der Datenpunkt ganz links mit einer Glidepath-Länge von 0 entspricht damit übrigens wieder unserem Standardfall einer durchgängigen Asset Allokation von 100%.
Wir sehen, dass der Wert von 24 Monaten tatsächlich nicht so schlecht gewählt zu sein scheint. Ein längerer Glidepath führt nicht mehr wirklich zu signifikant höheren Entnahmeraten. Interessanterweise empfehlen andere Experten manchmal deutlich längere Übergangszeiten von 180-240 Monaten. Auf Basis der Shiller Daten kann ich dies zunächst einmal nicht nachvollziehen.
6. Vergleich von unterschiedlichen Asset Allokationen im Detail
Seit Version 0.4 ist noch eine weitere Funktion hinzu gekommen. Der Unterreiter “Vergleiche Allokationen” erlaubt einen detaillierten Vergleich der eigenen Asset-Allokation mit einer Zweiten. Unsere eigene Asset Allokation belassen wir dabei zunächst einmal bei 100% Aktien und gehen dann in den Reiter “Vergleiche Allokationen”. Dort könnten wir zum Vergleich einmal die optimale Allokation aus Abschnitt 1 einfügen:
In den dann folgenden beiden Grafiken ist das eigene Portfolio in blau und das Vergleichsportfolio in rot dargestellt. Bei dem einfachen Vergleich den wir hier vorgenommen haben sieht man z.B. Folgendes:
Man erkennt hier gut, dass eine gewisse Beimischung von Anleihen, die möglichen Extreme, die das Depot über den zeitlichen Verlauf einnehmen kann, deutlich reduziert. Der rote Trichter öffnet sich deutlich geringer als der blaue, der 100% Aktien entspricht. Auch bei den Entnahmeraten sieht man jetzt genauer, wie sich eine Beimischung von Anleihen konkret auswirkt: Insbesondere in kritischen Börsenphasen wie der Weltwirtschaftskrise sowie auch dem Platzen der Dot.Com Blase mildern Anleihen die möglichen Extreme ab. Interessanterweise wird eine weitere kritische Phase, nämlich die Stagflation Periode Anfang der 1970er Jahre aber kaum positiv beeinflusst. Hier verläuft die rote Linie nahezu gleich tief wie die Blaue.
7. Efficient Frontier
In Version 0.6 ist eine neue Funktion zur Übersichtsanalyse von Asset Allokationen dazu gekommen. Der Begriff “Efficient Frontier” kommt eigentlich aus der Portfoliotheorie und bezeichnet dort eine sehr ähnliche Darstellung bei der für verschiedene Asset Allokationen die mittleren Renditen des resultierenden Portfolios gegen dessen Risiko dargestellt werden. In solchen Graphen gibt es dann eben die “Efficient Frontier”, die das mögliche Limit der Rendite für ein zulässiges Risiko eines Portfolios darstellt und klar zeigt, dass Rendite eben immer auch Risiko erfordert. Als Maß für das Risiko wird dort fast immer die Varianz oder Standardabweichung definiert was die Namensgebung “Mean-Variance Darstellung” erklärt. FI-Interessierte wie uns sollten die Schwankungen unseres Portfolios aber eigentlich eher wenig interessieren. Viel entscheidender ist doch, wieviel ich aus so einem Portfolio minimal entnehmen kann ohne vorzeitig Pleite zu gehen. Die minimale Entnahmerate ist daher ein viel besseres Maß für das Risiko, das wir gewillt sind mit unserem Portfolio einzugehen. Die hier gewählte Darstellung bietet daher für eine Vielzahl unterschiedlicher Asset Allokationen einen schnellen Überblick über deren Verhältnis von Risk (Minimale Entnahmerate) zu Reward (Median der Entnahmeraten).
Schauen wir uns dazu ein konkretes Beispiel an. Wir möchten drei Assets für unserer Portfolio untersuchen und wählen diese wie folgt aus dem Asset Catalog aus:
Gehen wir jetzt in den Reiter “Optimierung der Asset Allokation” und dort in den Unterreiter “Efficient Frontier”:
Oben werden dort zunächst die ausgewählten Assets mit einer repräsentativen Farbe aufgelistet. Nach kurzer Rechenpause erscheint dann darunter eine zufällige Auswahl von möglichen Asset Allokationen, die diese drei Assets enthalten. Das Bild enthält allerdings bislang nur eine relativ geringe Zahl von Datenpunkten. Dies hat einfach Performancegründe, da für dieses Bild dann trotzdem mehrere hundert komplette Simulationen im Hintergrund gerechnet werden und ich die Zahl der Datenpunkte limitiere um zu verhindern, dass mein kleiner Cloud-Server absäuft. Es gibt aber einen Ausweg: Bitte dafür einmal im Reiter “Einstellungen Asset Allokation” den Schalter “Rebalancing Intervall” auf “Jährlich” stellen. Mit dieser Einstellung werden dann 12 mal soviele Datenpunkte gerechnet und nach dem Umschalten sollte dann (nach wiederum kurzer Denkpause) das folgende Bild erscheinen:
Zunächst ein Hinweis zur Farbgebung. Die resultierende Farbe jedes Datenpunktes entspricht der Überlagerung der Farbe des jeweiligen Assets mit einer Stärke, die dem Anteil des Assets im Portfolio entspricht. Geht man mit der Maus z.B. auf einen der grünen Datenpunkte recht unten sieht man oben die exakten Zahlenwerte für das Minimum der Entnahmeraten (also die SWR) und für den Median der Entnahmeraten sowieo darunter für dieses einzelne Portfolio auch die jeweils exakte Asset Allokation. Wir sehen hier, dass dieser Datenpunkt zu 98% aus TIPS Anleihen entspricht und kaum andere Assets enthält (Dass die dargestellten Anteile sich zu 101% addieren ist übrigens lediglich ein Rundungseffekt der Darstellung):
Darüberhinaus sehen wir, dass der Median nur minimal höher liegt als das Minimum. Dies liegt einfach daran, dass wir hier synthetische TIPS mit einer definierten realen Rendite von 2.6% verwenden, die auch keinerlei Kursschwankungen ausgesetzt sind, da wir diese Anleihen ja bis zur Fälligkeit halten. Somit birgt eine solche Asset Allokation im Ruhestand kaum Risiko, allerdings wird ein solches Portfolio in unserem Standard Trinity Fall auch nach den 30 Jahren Simulation nahezu komplett aufgezehrt sein, d.h. potentielle Erben würden danach in die Röhre schauen. Trotzdem sind mit solchen TIPS aktuell sehr hohe Entnahmeraten möglich, die SWR von absolut 1830,- entspricht einer prozentualen Entnahmerate von über 4.6% pro Jahr liegt also deutlichst über der 4% Regel und ist ein Grund für das aktuell sehr große Interesse in den USA an solchen Anleihen.
Schauen wir uns im Vergleich jetzt einen der blauen Datenpunkte am oberen Rand der Efficient Frontier an. Dieser besteht zu 98% aus Aktien und liefert eine absolute SWR von nur 1.488,- was prozentual 3,7% entspricht. Der Wert ist allerdings etwas höher als die normalen eher 3%, was in diesem Fall am jährlichen Rebalancing liegt:
Vergleichen wir diese Darstellung einmal mit der bisher bekannten Optimierungsfunktion aus Abschnitt 3 oben und setzen die beiden Asset Allokation dort näherungsweise ein. Portfolio A entspricht etwa dem grünen Datenpunkt und Portfolio B ungefähr dem Blauen:
Hier kann man die obigen Werte für Median und Minimum zwar besser ablesen, die Darstellung ist aber eben auf zwei Assets beschränkt, während wir unsere Efficient Frontier mit mehr Assets “beladen” können um eine schnelle Übersicht zu bekommen. Die Funktion ist somit sehr hilfreich für eine grobe Orientierung im “Asset-Dschungel”.
8. Fazit
Dieser Artikel soll nur einen groben Überblick über die möglichen Optimierungsfunktionen liefern. Gerade mit den seit Version 0.4 hinzu gekommenen neuen Assets könnte man hier Wochen bis Monate verbringen um optimale Asset Allokationen zu finden. Ich hoffe, dass der Eine oder Andere genau dies tun wird, möchte den Artikel aber mit einer Empfehlung beenden: Viele der beobachteten Effekte sind relativ klein und nicht immer ist klar, ob Verbesserungen tatsächlich real oder lediglich Artefakte der verwendeten Datenreihen sind. Und außerdem gilt natürlich immer, dass vergangene Performance keine Garantie für zukünftige Performance ist, d.h. irgendwo muss jeder für sich ein sinnvolles Ende der Optimierung finden. Das Endergebnis der Optimierung kann dann aber einfach in das eigene Portfolio im Reiter “Einstellungen Asset Allokation, Kurs- und Inflationsdaten” übernommen werden.
Ich wünsche euch allen jedenfalls viel Spaß dabei!